Liebe Freunde*innen der liegenden Radelei,

 

 

Die dritte SonnenWendeTour ist vorbei.

 

Mitfahrer:

 

Siglinde       Germersheim    Gesamtstrecke

Wolfgang     Germersheim    Gesamtstrecke

Gunnar         Bremen             Gesamtstrecke

Frank            Bremen             Gesamtstrecke

Hans-H.        Bremen             Teilstrecke

Harald          Bremen             Gesamtstrecke

Mathias        Ganderkesee     Gesamtstrecke

Tobias          Nienburg           Gesamtstrecke

Dieter           Hamburg           Gesamtstrecke

 

 

 

SonnenWendeTour 2022 vom 14.07. - 28.07.

 

 

Für mich sollte es das erste Mal sein durch die Niederlande zu radeln. Daher war ich besonders gespannt, was uns im Fahrradland erwarten wird. Gibt es wirklich so viele Radfahrer? Ist das Knotenpunktsystem wirklich so genial? Sind die Radwege wirklich so gut ausgebaut? Sind die Autofahrer wirklich so rücksichtsvoll? Dass es so gut wie keine Höhenmeter geben würde, war mir dank BRouter im Voraus bekannt.

 

Wie üblich, wenn der Bremer Liegeradtreff eine Tour startet, trafen sich die Mitfahrer*innen am Antikolonialdenkmal in der Nähe vom Hauptbahnhof. Die Ehrung ;-) für die längste Anreise zur SonnenWendeTour nach Bremen per Muskelkraft geht in diesem Jahr erneut an Siglinde und Wolfgang aus Germersheim. Diesmal nahmen sie mit ihren rot-gelben Flitzern einen klitzekleinen Umweg von knapp 4500 km über das Oderbruch und Schweden, um pünktlich am Startpunkt ihres Urlaubs im Urlaub zu sein. Sie hatten viel zu berichten.

Zu siebt machten wir uns auf den Weg, um gemeinsam bis zum ersten Campingplatz nach Dönsel zu radeln. Die anfängliche recht lange Stadtquerung als Gruppe, darunter fünf Mehrspurer, war ziemlich ätzend, was unsere gute Laune allerdings nicht beeinträchtigte. Außerhalb von Bremen baten mich dann alle das Tempo etwas zu erhöhen. Meine vorgelegten für Gruppen tauglichen 17-18 km/h seien zu langsam. Am frühen Abend in Dönsel angekommen erwartete uns Tobias, der direkt aus Nienburg zu uns stieß. Später gesellten sich die ganz in der Nähe beheimateten Heinrich und Olaf für einen Kurzbesuch zu uns und wir hatten den ersten gemütlichen Abend.

 

Da sich am Tour-Profil auch in diesem Jahr nichts geändert hatte, radelte ab Dönsel jeder wie es ihm beliebte weiter. Ich finde es bemerkenswert, wie unterschiedlich die Ansprüche für einen gelungenen Fahrradtag sind. Dem einen sind die landschaftlich schöneren Strecken mit möglichst wenig Autoverkehr wichtig, wobei Höhenmeter, Distanz und Untergrund nur eine untergeordnete Rolle spielen. Andere bevorzugen besten Belag mit möglichst wenigen Steigungen und nehmen dafür Radwege an viel befahrenen Straßen in Kauf. Während manche vorzugsweise alleine unterwegs sind, möchten andere nicht ohne Gesellschaft die Tagesetappen bewältigen. Der eine legt lieber eine Pause an den kleinsten Sehenswürdigkeiten mitten in der Pampa ein, der nächste hingegen nimmt sich in größeren Orten mehr Zeit zum Schauen.

 

Am dritten Tag unserer Reise kündigte sich der Hitzerekord dieses Sommers über mehrere Tage an. Bei Temperaturen bis 40° C verbrachten wir unseren ersten Ruhetag am Quendorfer See auf einem Campingplatz ohne Bäume. Mir ist unverständlich, warum jemand so etwas ohne Schattenspender anlegt. Einige von uns suchten Abkühlung im nahe gelegenen See und andere flüchteten in den immer schmaler werdenden Schattenstreifen einer alten Baumreihe am Rande des Areals. In Anbetracht der sengenden Sonne verzichteten wir allesamt auf das abendliche gemeinschaftliche Kochen, um es uns in Schüttorf in einer Pizzeria gut gehen zu lassen.

Auf dem Spaziergang dorthin wies Siglinde auf einen Wegweiser mit Knotenpunktsystem, welches im Nordwesten unseres Landes mittlerweile nach niederländischem Vorbild verbreitet ist. Sie hatte mitbekommen, dass ich mir tagsüber einen Zettel mit vielen Zahlen vorbereitet hatte, um am nächsten Tag danach zu fahren.

 

Da es wieder sehr heiß werden sollte, startete ich früh am Morgen meine Knotenpunkt-Testfahrt. Auf schattigen Nebenstraßen folgte ich meinem Zettel-Navi. Die Beschilderung war von weitem gut sichtbar, man musste beim Abzweigen nicht einmal die Geschwindigkeit drosseln. Ich war begeistert, bis ein kompletter Wegweiser fehlte. Auf der niederländischen Seite wurde es etwas hakeliger. Die Schilder sind bei unseren Nachbarn generell kleiner, waren häufig von der Natur verdeckt oder verblichen. Kennt man auch von unserem Radwegnetz. Je schmaler der Fietspad wurde, desto winziger wurden die Richtungsanzeigen. Teilweise standen sie nur als Miniobelisken im hohen Gras. Oftmals musste ich anhalten, um mich zu orientieren. Kurz vorm Tagesziel klemmte ich genervt das Handy in den Halter und folgte dem GPX-Track durch Hengelo. Das war der erste und letzte Tag, an dem ich bewusst dem Knotenpunktsystem folgte. Ein Orientierungssystem mag noch so genial sein, aber wenn die Umsetzung in der Realität nicht genauso genial ist, hat man viele Extrakilometer und einen enormen Zeitaufwand bei der Suche. Muss man obendrein das Navi zu Rate ziehen, kann man ja gleich danach fahren. Als Entschädigung erwartete mich ein schattiger, uriger Minicamping südlich von Hengelo. Spät abends, nach einer Odyssee mit dem 9-Euro-Ticket, traf Hans-Hermann als letzter Zuwachs der Gruppe ein.

 

Zu jedem Reisebericht gehört selbstverständlich eine lustige Anekdote. Einer unserer Mitfahrer, großer Fan von Digitalgeld, fuhr abends noch einmal nach Hengelo um Bares zur Bezahlung der Campingplätze zu besorgen. Nach drei Stunden kehrte er unverrichteter Dinge zurück. Er hatte mehrfach versucht aus einem Automaten am Bahnhof ein paar Euros zu bekommen, bis ihm jemand zu verstehen gab, dass dies ein Fahrkartenautomat sei. Einen Geldautomaten fand er an diesem Abend nicht mehr. In fremden Ländern ist doch nicht immer alles so einfach.

 

Der landschaftlich schönere Teil unserer Runde war für meinen Geschmack die Linie Bremen - Diepholz - Bramsche - Bad Bentheim - Hengelo - Meppel. Ab Meppel über Sneek - Leeuwarden - Groningen - Hoogezand – Winschoten bis hin zur Grenze hatte ich den Eindruck nicht mehr durch ursprüngliche Geologie, sondern nur noch durch vom Meer abgerungenes Land zu radeln. Die Höhenanzeige bis zu minus zwanzig Metern auf dem Navi untermauerte meine Vermutung.

Zugegeben, die Strecke von Meppel bis kurz vor Sneek erwies sich dennoch als die für mich schönste Tagesetappe der gesamten Tour, welche durch wasserreiche Naturschutzgebiete, gesäumt von sehr alten Bauerngehöften, den verschlungenen Kanälen folgte. Teilweise hatte ich das Gefühl mich im späten Mittelalter zu bewegen. Ich kann nicht sagen, wie viele Pausen ich an diesem Tag eingelegt habe, um einfach nur zu genießen und zu schauen, ob mehr Boote auf den Kanälen oder mehr Radler auf der Straße unterwegs waren.

 

Ab dem nächsten Morgen ging es für den Rest der Niederlande nur noch durch „quadratisch, praktisch, gut“ der industriellen Landwirtschaft und Entwässerung zuträglich angelegte Gegenden.

Dafür erwartete uns Leeuwarden als nächstes absolut sehenswertes Highlight. Wer mal in der Nähe ist, sollte Leeuwarden unbedingt einen Besuch abstatten. Unzählige Grachten mit grünen Ufern laden zum Chillen, Flanieren, Radeln oder zum Wassersport ein. Ich entschied mich an diesem Nachmittag immer am Wasser entlang gemütlich den historischen Stadtkern zu umrunden, um dann kreuz und quer diesen zu besichtigen. Trotz der Menschenmassen, es war Samstag und herrliches Wetter, hatte die Stadtmitte nichts von nervig-hektisch, sondern quirlig-lebendig-erfrischend. Die alte Bausubstanz mit ihren kleinen Geschäften und die Märkte unter freiem Himmel trugen sicher zu diesem ganz besonderen Flair bei.

 

Ganz im Gegensatz dazu das nur einen Radeltag entfernte Groningen. Wegen der Schwärmerei aus meinem Umfeld passte es eigentlich ganz gut, dass wir unseren letzten Ruhetag ganz in der Nähe verbrachten. Nach dem Frühstück fuhren einige von uns zum Sightseeing los. Vielleicht lag es am regnerischen Wetter oder an den das Stadtbild verschandelnden typischen Shoppingketten, dass ich Groningen nicht wirklich viel abgewinnen konnte. Einzig das Forum Groningen fand ich faszinierend. Nach ein paar richtig leckeren Kibbeling, die gegen räubernde Krähen, Möwen und Tauben verteidigt werden mussten, kehrte ich zurück.

 

Am darauf folgenden Tag überquerten wir wieder die Grenze ins Heimatland. Erst da wurde einem so richtig bewusst, wie komfortabel man mit dem Rad in den Niederlanden unterwegs ist. Selbst die Nebenstraßen, auf denen wir uns größtenteils über Land bewegten und wo man vielen Alltagsradlern begegnet, waren eben und gepflegt. Oftmals sogar mit einem roten Radfahrstreifen ausgestattet. Teilweise konnte man denken, die Fahrbahn wurde kurz vorher erst fertig gestellt. Ausgebesserte Straßenschäden erwiesen sich glatt wie ein Kinderpopo. In größeren Orten fand ich es, trotz um Welten besserer Radinfrastruktur als bei uns, anfangs bedrohlich. So viele Radler auf einem Haufen ist man aus dem eigenen Alltag nicht gewohnt und muss sich erst darauf einstellen. Ebenfalls auf die Bromfiets, welche sehr oft auf den Radweg verbannt sind.

Am Abend waren wir zu Gast in Papenburg, dem schönsten Campingplatz der Tour. Auf der abgelegenen, Wohnmobil freien Zeltwiese mit Blick auf den See saßen wir noch lange klönend beisammen.

 

Von Oldenburg, wo uns abends zuvor noch Christine und Arnim mit ihrem schon aufgebauten Zelt überraschten, radelten wir am letzten Tag wieder als Gruppe. Mit einem Abschlussessen im Hasenbürener Yachthafen kurz vor Bremen ließen wir die SonnenWendeTour 2022 ausklingen.

Ich bedanke mich bei allen Mitfahrer*innen herzlich, da sie mit ihrer netten, entspannten und unkomplizierten Art sehr zum Gelingen der 15-tägigen Runde durch unser Heimatland und die Niederlande beitrugen. Ich hoffe, es waren alle mit der Routenwahl, den vorgeschlagenen GPX-Tagestracks und den ausgewählten Campingplätzen, den Campingplatz in Leeuwarden mal ausgenommen, zufrieden.

 

 

Liebe Grüße

Gunnar

 

 

PS. Da der Bremer Liegeradtreff im August 2023 ein überregionales Liegeradwochenende organisiert, wird es erst 2024 wieder eine SonnenWendeTour geben. Mehr Infos zum LieBre 2023 findet ihr hier.